Francisco Galán (ehemaliger Kommandeur der ELN Guerilla) und Lácides Hernández aus Kolumbien besuchten Deutschland, um sich für den Frieden in ihrem Land einzusetzen.
Seit fast 50 Jahren befindet sich Kolumbien im Kriegszustand. Kolumbien ist geprägt von einer „Todeskultur“, vom Krieg zwischen Guerilla-Gruppen, Paramilitärs, der Regierung, Drogenkartellen und Straßenbanden.
Lácides Hernández und Francisco Galán arbeiten für den Frieden in Kolumbien und
engagieren sich für den Prozess der Versöhnung: Zwischen Opfern und Tätern, verfeindeten Gruppen und den Kirchen. Im Seehaus Leonberg und Seehaus Störmthal haben sie aus ihrem Leben und von ihrer Arbeit berichtet und bei vielen Gesprächen in ganz Deutschland Mitstreiter für den Aufbau Kolumbiens nach Beendigung des Konflikts gesucht.
Hernández ist Präsident von Prison Fellowship Kolumbien, der kolumbianischen Partneror-ganisation vom Leonberger Seehaus e.V.. Prison Fellowship Kolumbien hilft Gefangenen, ihren Familien und Opfern von Kriminalität, beteiligt sich am Transformationsprozess in den Gefängnissen sowie am Friedensprozess im Land und setzt sich für eine Reform des Justizwesens ein. Hernández hat auch an den Friedensgesprächen zwischen der Regierung und den FARC-Rebellen im März auf Kuba teilgenommen.
Galán ist Direktor des „Haus des Friedens“. Lange Zeit war er der oberste Kommandeur der neben der FARC zweitgrößten Guerilla-Gruppe Kolumbiens, der ELN Guerilla (Nationale Befreiungsarmee). 35 Jahre lang war er Mitglied der ELN und des bewaffneten Kampfes. Davon war er 16 Jahre lang im Gefängnis. Während seiner Zeit im Gefängnis hatte er Zeit, nachzudenken. Er hat sein Leben und seinen Kampf für die Ideale der Guerilla überdacht. Er ist zu dem Schluss gekommen, dass es nicht möglich ist und der menschlichen Vernunft widerspricht, Ideale mit Gewalt zu erkämpfen. „Das Leben steht über allem und der Mensch entwickelt sich nicht über den Krieg, sondern über die Demokratie“, so Galán. „Die Menschheit darf sich niemals das Recht herausnehmen, gegen andere Attentate auszuüben“.
Zunächst hat er versucht, innerhalb der Guerilla für den Frieden zu kämpfen und hat drei Friedensprozesse mit der Regierung angestoßen. Er hat jedoch gemerkt, dass dies nicht möglich war. Er hat dann die Entscheidung getroffen, sich von der ELN, vom Krieg und von der Gewalt loszusagen und hat dies öffentlich bekundet. Dabei bat er die Regierung und die Bevölkerung öffentlich um Vergebung. Galán hat sich seither zum Ziel gesetzt, den Konflikt zu überwinden und das Land zu befrieden. Seitdem setzt er sich für den Friedensprozess in Kolumbien ein.
Seit 1997 kennt er Hernández, der ihn im Gefängnis besucht und ihn in seinem Verände-rungsprozeß begleitet. Sie arbeiten nun gemeinsam für den Frieden im Land.
Hernández arbeitet seit 21 Jahren in den Gefängnissen Kolumbiens und hat radikale Veränderungen von Gefangenen und ganzen Gefängnissen erlebt. Durch die Arbeit mit den Gefangenen hat er jedoch auch festgestellt, dass sich der Schwerpunkt der Justiz ändern muss und die Opferperspektive in den Mittelpunkt gerückt werden muss. So hat er mit einem Programm „Opfer und Täter im Gespräch“ begonnen und Opfer mit Tätern zusammengebracht. Die Opfer haben so die Möglichkeit, über den ihnen zugefügten Schaden und über das Leid zu sprechen und ihre Wut und Emotionen loszuwerden und Täter damit zu konfrontieren – auch wenn es nicht die eigenen Täter sind.
Die Täter sind so oft zum ersten Mal damit konfrontiert, was für Auswirkungen Straftaten auf die Geschädigten hat und wie ganze Familien oft ein Leben lang leiden. So können solche Gespräche für die Opfer einen Heilungsprozess anstoßen und Täter zur wirklichen Einsicht, Umkehr und Wiedergutmachung führen.
Hernández erzählt von Pedro, einem ehemaligen Soldaten, der im Krieg mit den Guerilleros sein Bein verloren hat. Pedro hat in dem Gesprächskreis berichtet, wie er auf eine Tretmine getreten ist, wie sein Bein weggefetzt ist, Blut geflossen ist. Er berichtet von dem Schmerz, wie lange es gedauert hat, bis ein Hubschrauber ihn ins Krankenhaus geflogen hat und wie sich sein Leben seitdem verändert hat. Zwei der Teilnehmer haben dann anhand seiner Geschichte erkannt, wie schuldig sie geworden sind, da sie Tretminen gebaut und verlegt haben. Ihnen wurde bewußt, dass sie stellvertretend um Vergebung fragen mußten und wollten etwas zur Wiedergutmachung für Pedro und für ihre eigenen Opfer tun.
Hernández erzählt weiter von Alex, der „Pirat“. Alex war auf dem Weg, seine Familie im Dschungel zu besuchen. Der Bus wurde von einer Gruppe von Guerilleros entführt. Alle 26 Personen mußten aussteigen, wurden gefesselt und mit dem Gesicht nach unten auf den Boden geschmissen. Bei dem Massaker wurden alle erschossen. Nur Alex überlebte. Eine Kugel ging direkt durchs Auge. Seitdem hat er auf der einen Seite eine Augenklappe, auf der anderen sieht er noch ein wenig. Er musste 14 Mal operiert werden, aber er hat überlebt. 10 Jahre später hat er Hernández kennen gelernt und ist mit ihm ins Gefängnis gegangen. Seitdem engagiert er sich dort ehrenamtlich. Im Gefängnis traf er auf Ismael, einen der Guerilleros, der bei dem Massaker dabei war. Alex hat Ismael seine Leidensgeschichte erzählt. Sie haben sich oft getroffen. Ismael hat um Vergebung gebeten. Es war ein langer und mühsamer Weg, aber am Ende konnte Alex Ismael vergeben. Seitdem besucht er ihn regelmäßig und begleitet Ismael auf seinem Weg und Veränderungsprozess.
Hernández beschreibt wie wichtig es ist, dass es gute Beispiele gibt, wie eine Veränderung aussehen kann. Francisco Galán ist ein solches Beispiel. Er ist eine Schlüsselfigur – für viele andere und für den Frieden in Kolumbien, das Herzensanliegen für Galán.
Der Friedensprozess zwischen der FARC-Guerilla und der Regierung ist weit vorangeschritten. „Es ist ein unumkehrbarer Prozess“, so Galán. Doch auch wenn in Aussicht steht, dass noch in diesem Jahr ein Friedensvertrag unterschrieben werden kann, steht Kolumbien vor großen Herausforderungen. Galán und Hernández werben dafür, jetzt schon an die Zeit nach der Beendigung des Konflikts zu denken. Wie ist ein Wiederaufbau möglich? Wie ist Versöhnung möglich? Aufbauend auf das Programm „Opfer und Täter im Gespräch“ wollen sie als einen Baustein des Wiederaufbaus „Dörfer der Wiedergutmachung“ errichten: Ex-Guerilleros und Ex-Paramilitärs bauen Häuser und Dörfer für Vertriebene und Opfer des Konflikts auf, sie renovieren vom Krieg zerstörte Häuser und errichten eine funktionierende Infrastruktur mit Werkstätten, einer kleinen Landwirtschaft und einer Schule. Durch diese Arbeit erlernen sie selbst handwerkliche Fähigkeiten. Im Anschluss können sie das notwendige Handwerkszeug behalten, um sich damit künftig ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ziel ist, dass in den Dörfern der Wiedergutmachung dann Geschädigte und Konfliktteilnehmer in Frieden zusammen leben und gemeinsam am Wiederaufbau des Landes beteiligt sind. „Por la paz! – Für den Frieden!“
Fotos:
www.flickr.com/photos/seehausleonberg/sets/72157633266872502/
Allgemeine Informationen:
http://www.prisonfellowshipcolombia.com/
www.pfi.org/national-ministries/americas/colombia
www.seehaus-ev.de/unterstuetzen/auslandsprojekte/kolumbien/
Für Beispiele von „Reconciliation Villages“ siehe auch die Erfahrungen von Prison Fellowship in Ruanda:
www.pfi.org/media-and-news/news/beyond-forgiveness
www.pfi.org/cjr/newsitems/what-is-a-reconciliation-village
Vom ELN Guerilla Kommandeur zum Friedensvermittler